Welcome Innsbruck - Winter 2019
W E L C O M E 54 K U L T U R D ie Maria-Theresien-Straße hat als „Neu“- und „Vorstadt“ und schließlich unter ihrem heutigen Namen viele Wandlungen durchlebt. Häuser, Kirchen und Paläste entstanden, wurden mit Leben erfüllt, durch Katastrophen zerstört, abgerissen und wieder neu erbaut. Ihr Aussehen hat sich immer verändert, ebenso wie ihre Bewohner. Zu allen Zeiten aber war sie und ist sie ein bedeuten- der städtischer Straßenzug, auch wenn ihr die Schönheit oftmals von den Zeitgenossen nicht zugesprochen wurde. In dieser Weise äußerte sich auch Josef Erler 1877: „Die Maria-Theresienstraße, früher auch Vor- oder Neustadt genannt, mit ihren zum großen Theile schmalen und al- ten Häusern, die aber alle mit einem Erker versehen sind, ist zwar nicht die schönste, aber doch die belebteste Straße Innsbrucks. Dort haben sich die größten Kaufläden concentrirt, dort findet der Fremde alles, was er bedarf.“ Im Mittelalter war die Neustadt der Ausläufer der Durchzugsstra- ße. Dementsprechend fanden sich hier vor allem handwerkliche und gastwirtschaftliche Betriebe, die den durchziehenden Handelsverkehr nutzten. Nahezu alle Häuser bestanden aus Holz, die große Feuers- brunst 1620 fand also reichlich Nahrung. Nach diesem Ereignis wurde der Steinbau Gesetz. Im Lauf des 16. Jahrhunderts begannen die Hand- werksbetriebe allmählich zu verschwinden, die einfachen bürgerlichen Häuser wurden dafür erweitert und Adelspaläste errichtet. Aus der ehe- maligen Handwerksstraße wurde das Wohngebiet der Adeligen und Wohlhabenden. Diese Entwicklung war auch dem Brand geschuldet: In der Folge kauften viele Adlige Brandruinen auf und errichteten großzü- gige Häuser. Aus den locker angeordneten Gebäuden entstand nun die Häuserflucht, für welche die Straße heute noch bekannt ist. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich die Nutzung der Straße wieder zu verändern. Es entstanden wieder vermehrt bürgerliche Häuser, handwerkliche Betriebe zogen wieder ein, vor allem auch Han- delsbetriebe. 1873 bekam die Neustadt ihren neuen Namen: Und jetzt entwickelte sich aus der Maria-Theresien-Straße auch eine Einkaufsstra- ße. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen zahlreiche Neubauten hinzu, die letzten noch gotischen bzw. Renaissance-Stadthäuser verschwanden. Deshalb findet man auch keine mittelalterlichen Stadthäuser mehr. In diese Zeit fallen auch verkehrstechnische Neuerungen und Änderungen, der Straßenzug füllte sich mit Automobilen, Bussen, Straßenbahnen und Fahrrädern. Erst Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Straße zur teilwei- sen Fußgängerzone, durch die wir heute flanieren. W B U C H T I P P B O O K T I P DIE MARIA-THERESIEN-STRASSE Geschichte und Gegenwart Gertraud Zeindl, 2019, TYROLBUCH. In der Maria-Theresien-Straße spiegelt sich die ereignisreiche Geschichte der Tiroler Landeshauptstadt wider. Wie die einstige „Neustadt“ zur repräsentativen Einkaufsmeile wurde, zeichnet die Tiroler Historikerin Gertraud Zeindl in ihrem Buch nach. // The Maria-Theresien-Straße reflects the eventful history of the Tyrolean capital. In her book, the Tyrolean historian Gertraud Zeindl traces how the former „suburbs“ became a prestigious shopping destination. STRASSENGESCHICHTE T A L E S F R O M T H E S T R E E T Blick in die Vorstadt, um 1820 // View towards the suburbs around 1820 Die obere Neustadt, Johann Georg Schaedler, Anfang des 19. Jahrhunderts // The upper Neustadt, Johann Georg Schaedler, beginning of the 19th century.
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