Welcome Innsbruck - Winter 2019

W E L C O M E 68 S T A D T L E B E N W I E S I E H T D I E S E R U M B A U I N I N N S B R U C K A U S ? G E O R G W I L L I : Zum Beispiel müssen wir alle neuen Häuser so bauen, wie sie 2050 sein sollten, nämlich mit eigener Energieversor- gung und -erzeugung. Bauen wir ein Gebäude auf einer Fläche, wo davor eine Grünfläche war, dann muss auch diese Wiese am Dach des Hauses abgebildet werden. Wir müssen neue Häuser so bauen, dass es für die nächsten 100 Jahre gut ist, und wir müssen den Altbestand innerhalb von 30 Jahren umbauen. Wir brauchen also eine Sanierungsquote von drei Prozent pro Jahr – derzeit liegen wir knapp darunter, aber wir werden es schaffen. Auch im Bereich der Mobilität wird und muss sich einiges tun: Innsbruck ist so kompakt gebaut und die Wege sind so kurz, dass das tollste Verkehrsmittel das Fahrrad ist. Ich glaube auch, dass eine alpin-urbane Stadt und die meisten ihrer Bewohner prädestiniert dafür sind. Dadurch ge- winnen wir wiederum Straßenraum, denn der Verkehr nahm immer mehr Platz in Anspruch. Über Jahrzehnte wurde Innsbruck raumpla- nerisch so aufgeteilt, dass zwangsläufig Wege im Alltag entstehen: Hier wohnt man, dort arbeitet man, dort kauft man ein. Dann kam man drauf, das klingt zwar super, aber zwischen diesen Funktionen gibt es jede Menge Verkehr. Nicht umsonst wird das KH Tyrol ös- terreichweit als Paradebeispiel genannt, wie man das Einkaufszen- trum, klassisch außerhalb der Stadt angesiedelt, wieder zurück in das Herz der Stadt holt. Die Entzerrung der verschiedenen Funktio- nen einer Stadt ist auch ein Weg, auf dem wir uns befinden. U S C H I S C H W A R Z L : Innsbruck hat hier auch den Vorteil, dass es keine Industriestadt, sondern in erster Linie eine Dienstleistungsstadt ist. Auch wenn wir Einkaufszenten am Rand der Stadt haben, macht die Kompaktheit von Innsbruck diese leicht erreichbar. Wir haben ja ein sehr vorbildliches Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Ganze hat aber natürlich beim Einzelnen sehr viel mit Bewusstseinsver- änderung zu tun. Dabei geht es nicht um Verbote, sondern darum, Stadtleben lustvoll zu machen. Ich frage mich, ob es lustvoll ist, die durchschnittlich 1,5 km, die eine gefahrene Strecke mit dem Auto in Innsbruck beträgt, auf vier Rädern zurückzulegen. Ich glaube, dass es mit dem Rad auf jeden Fall lustvoller ist. > > I N N S B R U C K H A T D E N K L I M A N O T S T A N D A U S G E R U - F E N . I S T D A S E I N L I P P E N B E K E N N T N I S O D E R D O C H M E H R A L S S Y M B O L I K ? U S C H I S C H W A R Z L : Die Frage des Kimanotstands ist nicht nur eine symbolisch wichtige, sondern auch verbunden mit einem Bekenntnis des Gemeinderates, die Themen Klimaschutz und Klimawandelanpassung ernst zu nehmen. Dies tun wir in vielerlei Hinsicht. Gerade kürzlich – im September – haben wir den sogenannten „Passathon“ veranstaltet, ein Marathon entlang Pas- sivhausprojekten für Räder, Skater, Geher u. a. Dabei wurden sämtliche Leuchtturmprojekte, vor allem im Passivhauswohnbau, besucht. Was den gemeinnützigen und öffentlichen Wohnbau anbelangt, sind wir vor- bildlich am Weg. Wir haben ja schon seit vielen Jahren einen Energieplan für Innsbruck mit dem Ziel, bis 2050 aus den fossilen Brennstoffen aus- zusteigen. Und wir arbeiten hart daran, das auch zu erreichen. Aktuell bereiten wir die Vergabe einer Stadtklimaanalyse vor. Die soll der Frage nachgehen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf kleinklimatische Verhältnisse in der Stadt hat. Eine andere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Kombination aus Fassadenbegrünung und erneuerbaren Ener- gien. Wir arbeiten auch an der Klimawandelanpassungsstrategie. Die da- raus zu treffenden Maßnahmen werden sich durch alle Bereiche ziehen. Und der größte Brocken in Hinblick auf Maßnahmen ist der Punkt Mobi- lität, das ist auch das herausforderndste Thema. Denn um Klimaschutz wirkungsvoll betreiben zu können, die Stadt lebenswert zu gestalten und den Menschen Raum zurückzugeben, wird es eine Transformation der Gesellschaft brauchen, und das betrifft vor allem das Mobilitätsverhalten. G E O R G W I L L I : Wir müssen uns vor Augen halten: Seit vier Genera- tionen haben wir jetzt das Auto, das sind circa 120 Jahre. In dieser Zeit haben wir unsere gesamten Städte und auch das Land autogerecht umgebaut und dadurch allen anderen Stadtbenutzern Platz weggenom- men. Das hat nicht nur zu Staus und schlechter Luft geführt, sondern auch dazu, dass das gemeinschaftliche Leben immer mehr an den Rand gedrängt wurde. Wir haben jetzt eine Generation Zeit, um das in Rich- tung menschen- und klimagerecht zu drehen. Dazu brauchen wir eine Stadtverwaltung, die es gemeinsam mit der Bevölkerung schafft, diesen Umbau der Stadt Innsbruck hinzubekommen. Innsbruck macht Klima – und daran führt auch kein Weg vorbei. Doch das „machen“ betrifft jeden Einzelnen und die Lust daran, unsere Welt zum Guten hin zu verändern, ist zum Glück deutlich gestiegen. Innsbrucks Bürgmereister Georg Willi und Uschi Schwarzl, Stadträtin für Umwelt, Mobilität und Energie, im Interview. // Innsbruck influences the climate – and there is no way around that. But this influence affects everyone and the desire to change our world for the better has fortunately increased considerably. An interview with Innsbruck‘s Mayor Georg Willi and Uschi Schwarzl, City Councillor for Environment, Mobility and Energy. LUSTVOLL IN DEN WANDEL E N T H U S I A S M F O R A C H A N G E

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