Welcome Innsbruck - Sommer 2018
beleuchtet werden. Er zeigt auf ein Jesusbild links an der Chorschranke. „Sal- vator Mundi“, Erlöser der Welt, ist darauf zu lesen. „Unlängst wurde ein Sal- vator-Mundi-Bild von Leonardo da Vinci um 450 Millionen Dollar verkauft. Vielleicht ist unseres auch von ihm, wer weiß“, sagt er augenzwinkernd. V O M K L O S T E R A L S S T I F T U N D D E N Z I S T E R Z I E N S E R N Bei all dem geschichtsträchtigen Wissen tauchen fast banale Fragen auf: „Worin unterscheidet sich ein Stift von einem Kloster? Und warum ist beim Ort Stams Zisterzienserabtei zu lesen?“ Diese Fragen wurden ihm wohl schon oft gestellt: Stams ist ein Kloster des Zisterzienserordens, also eine Zisterze. Er, der Abt, stehe an der Spitze des Konvents, so bezeichnet man die Mönchsgemeinschaft. Der Abt wird von den Mitgliedern des Konvents, den Konventualen gewählt. Deshalb ist das Kloster also eine Abtei. Das Stift Stams gilt als kulturgeschichtliches Beispiel, wie die Vereinigung der kirch- lichen mit der fürstlichen Welt gelingen kann. Wenngleich die Geschichte des Stifts stets von einer wechselvollen Politik geprägt war: „Wäre Stams ein bayerisches Kloster geworden, so existierte es heute nicht mehr. Es wäre be- stimmt eine weltliche Einrichtung“, erklärt der Abt. Es sollte anders kommen: Nach der Niederschlagung Napoleons kam Tirol 1814 wieder zu Österreich zurück. 1816 erwachte das Stift zu neuem Leben. Der Historiker Michael Forcher, der 2016 ein Buch zum „Tiroler Juwel“ herausgegeben hat, schreibt: „Die neue Epoche der Geschichte von Stift Stams sollte zwei Weltkriege, das Verschieben von Landesgrenzen und eine weitere Aufhebung bringen, die jedoch genauso wenig das Ende bedeutete wie jene von 1807.“ F R O M M Z W I S C H E N W I R T S C H A F T U N D P O L I T I K Es gab schon immer kluge Köpfe in Stams, die das Überleben des Stifts durch überlegte Schachzüge sicherten: In den 120 Jahren zwischen dem Tod des Abts Sebastian Stöckl, unter dem das Stift 1807 unter bayerischer Herrschaft aufgelöst und nach der Rückkehr zu Österreich 1816 wiedererrichtet worden war, und der neuerlichen Auflösung im Jahr 1939 durch die Nationalsozi- alisten leiteten vier weitere Äbte das Stift Stams. So waren diese mit wirt- schaftlichen Belastungen oder mit Kulturkämpfen zwischen konservativen und liberalen Parteirichtungen konfrontiert. Am längsten im Amt war August Handle, der die Geschicke des Klosters 42 Jahre lang lenkte. Er musste die Schwierigkeiten überwinden, die der Erste Weltkrieg, politische Umwälzun- gen und Inflation mit sich brachten. War dieser der strengen Klosterordnung zugetan und lebte sehr asketisch, waren spätere Würdenträger durchaus offener: Stephan Mariacher zum Beispiel, ein gebürtiger Südtiroler, dessen Amtszeit die Abtrennung Südtirols und die Wirtschaftskrisen der Zwischen- kriegszeit überschatteten. Er profilierte sich neben seinen seelsorgerischen Tätigkeiten vor allem als bedeutender Kenner von Kunst und Geschichte. Er lud zahlreiche Persönlichkeiten des Kultur- und Geisteslebens nach Stams, „um die Gedanken der Besten seiner Zeitgenossen für Tirol und seine Zukunft nutzbar zu machen“, schreibt Historiker Michael Forcher. Dieser Abt war mit Der Bernardisaal ist der Veranstaltungssaal des Stifts. Der Bernarditrakt, der dem Ordensheiligen gewidmet ist, wurde von Georg Anton Gumpp (1719–1729) gestaltet. Fünfachsige Lauben im Untergeschoß und ein reich profiliertes Gesims in der Galerie. // St. Bernard’s Hall is the abbey’s function room. The Bernardi wing, dedicated to the order’s patron saint, was designed by Georg Anton Gumpp (1719–1729). There’s an arcade with five windows on the bottom floor and a richly decorated balustrade running around the gallery.
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