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beide bricht, wenn der Partner sich verletzt. Man spielt das alles durch,
um so gut wie möglich vorbereitet zu sein. Je realistischer und je weni-
ger emotional man dabei ist, desto klarer wird das Bild und desto we-
niger Überraschungen gibt es dann.“ Trotzdem sei die Realität doch oft
anders. Der Berg ist nur bis zu einem bestimmten Grad planbar. Doch
die Planungen helfen dabei, in den kritischen Momenten die richtigen
Entscheidungen zu treffen. Und sie helfen, den größten Feind des Al-
pinisten im Zaum zu halten. „Angst ist nichts, was akut entsteht. Doch
die akute Form, die Panik, muss man so gut wie möglich vermeiden,
denn dann kann man keine rationalen Entscheidungen mehr treffen,
man arbeitet nicht mehr lösungsorientiert.“
Das große Ziel
Für heuer hat David Lama zwei große Projekte in Planung. Am 6907
Meter hohen Lunag Ri in Nepal erwartet Lama eine Kombinati-
on aus einem noch komplett jungfräulichen Gipfel und herausfor-
dernder Kletterei – „oft sind gerade die unbestiegenen Gipfel klet-
tertechnisch weniger reizvoll. Der Lunag Ri aber ist von allen Seiten
äußerst schwierig. Das beweist alleine schon die Tatsache, dass er
schon von mehreren Expeditionen versucht wurde." Immer war es
ein mehr oder weniger knappes Scheitern, auch der erste Versuch
des Tirolers, den Berg über die Nordwestwand zu bezwingen, war
nicht erfolgreich. 300 Meter vor dem Gipfel musste das Zweierge-
spann umkehren. Heuer wagen David Lama und Conrad Anker den
zweiten Versuch. Die Tour ist anspruchsvoll, sie verzeiht keine Fehler.
Dazu kommt die Kälte, die einerseits für erschwerte Bedingungen
sorgt, andererseits aber auch mehr Sicherheit bietet. Wird es wär-
mer, bietet der Schnee weniger Trittsicherheit. „Wir glauben, dass wir
durch die letztjährige Expedition den Berg sehr gut kennen und vie-
le Erfahrungen gemacht haben – unsere Ausgangslage ist jetzt eine
andere.“
Das zweite Projekt führt David Lama an die Annapurna III. Mit 7500
Metern der dritthöchste Berg im Annapurna Himal, zeigt der Berg be-
reits in niederen Lagen sein hartes Gesicht: „Es ist schon schwer, über-
haupt ins Base Camp zu kommen“, erklärt Lama, dessen Route ihn über
die bislang noch nie gekletterte Südostkante führen soll. Die Planun-
gen für solche Projekte sind langfristig – „man macht sich jetzt schon
Gedanken über nächstes Jahr.“ Und man macht sich Gedanken über
den einen, Großen, Unerreichten. Über allem steht der Masherbrum.
Noch fühlt sich Lama nicht bereit dazu. Aber Berg für Berg hofft er, den
Weg zu finden. „Alle Projekte, die wir jetzt und in den nächsten Jah-
ren machen, sind sehr anspruchsvoll und schwierig und dennoch nur
ein Puzzlestein für dieses große Projekt Masherbrum.“ Wann er ihn wie-
der in Angriff nehmen will, kann er nicht sagen. In
drei Jahren, in sieben Jahren. Das Maß an Bereit-
schaft, welches dieser Berg mit all seinen Bedin-
gungen fordert, ist – gemessen an den Gefahren
und Schwierigkeiten – unvorstellbar höher als bei
allen anderen Projekten, die derzeit in Planung
sind: Die Annapurna III, die David Lama als Puzz-
lestein zum Masherbrum sieht, wurde vom ame-
rikanischen Alpinist Magazine als eines der größ-
ten ungelösten „Probleme“ bezeichnet.
Es ist das scheinbar Unmachbare, das so gro-
ßen Reiz auf David Lama, wohl auf viele Alpinis-
ten ausübt. „Bei meinen Projekten bin ich mir
einfach sicher, dass sie machbar sind. Und ich
würde gerne meine Vorstellung prüfen – denn
die Chancen sind da.“
Es ist ein immer wieder neuer Weg zu immer
wieder neuen Bergen. Ein risikoreicher, ein ge-
fährlicher, ein abenteuerlicher, ein wagemuti-
ger. Aber auch ein unvergleichlich schöner, he-
rausfordernder und letzten Endes befreiender
– wenn der Gipfel erreicht wird. Dann kehrt Ruhe ein in die Gedanken
des Alpinisten, die ganz auf dieses eine Ziel konzentriert waren, für
dessen Erreichen er schier Unmögliches geleistet hat. Er hat den Berg
bezwungen, nur mit der Kraft seines Körpers und seines Geistes. Und
was dann bleibt, ist grenzenloses Glück. Bis zum nächsten Gipfel.
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A
lready at an early age, David Lama showed incredible natu-
ral climbing abilities. However, there wasn’t a certain point at
which he became an alpinist. It’s a continuous development
and at the end of the journey, there is only one goal – the conquest of
the mountain as a whole. The Italian Cesare Maestri, one of the best
climbers of his time, once said: “Alpinism can’t be considered a sport
„Bei meinen Projekten bin ich mir sicher,
dass sie machbar sind.“ //
“My projects don’t represent a physical
impossibility for me.”
© JULIATÜRTSCHER
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