Previous Page  20 / 124 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 20 / 124 Next Page
Page Background

WELCOME

||

20

A

nneliese Schuh-Proxauf hat es krachen lassen. Die heute

94-jährige Innsbruckerin erzählt Anekdoten, von Ereignissen,

Gegebenheiten und bekannten Personen, als wäre alles ge-

rade gestern gewesen – dass sie die Hahnenkamm-Abfahrt und das

Kandahar-Rennen gewonnen hat, vier Mal österreichische Meisterin

wurde, bei den Olympischen Spielen und den Weltmeisterschaften war.

Sie lässt die Vergangenheit lebendig werden in ihren Erzählungen und

mit ihrem „Jetzt passens auf“ schürt sie die Neugierde ihrer Zuhörer. Wie

es damals war, als sie in der Seegrube das Skifahren lernte, wie es bei

den großen Wettkämpfen zuging und warum sie zwar viel erreicht hat,

aber niemals Weltmeisterin oder Olympiasiegerin wurde.

Anneliese Schuh-Proxauf ist Teil einer Bewegung, die auch in Tirol

ihren Anfang nahm: Die Geschichte des Skifahrens wurde hier mit ge-

boren, auf eben jenen Pisten, auf denen wir heute hinuntercarven oder

-wedeln, ist sie entstanden. Willkommen auf den Spuren der Legenden.

Die ersten Spuren

130 Jahre ist es her, als das erste Paar Ski nach Innsbruck kam. Julius

Pock, einer der bekanntesten Alpinisten seiner Zeit, war jedenfalls ei-

ner der Ersten, der hierzulande mit den damals noch drei Meter langen,

acht Zentimeter breiten und fünf Kilogramm schweren Skiern experi-

mentierte und auch darüber schrieb. Sein Bericht vom März 1892 liest

sich jedenfalls sehr aufregend – und halsbrecherisch.

„Auf ebenen oder nur sanft geneigten Schneefeldern leisten die

Ski vortreffliche Dienste. Dagegen ist das Abfahren über stark geneig-

te Hänge und gefrorenen Schnee nicht harmlos, einmal in Bewegung,

geht es mit ungeheurer Schnelligkeit dahin, Bremsen mit dem Stocke

bleibt völlig wirkungslos. Droht Gefahr, an ein Hindernis geschleudert

zu werden, so kann man nur dadurch, dass man sich zu Boden wirft,

der rasenden Fahrt Einhalt tun. Gänzlich unbeholfen fühlt man sich,

wenn man auf den Rücken fällt; ohne wenigstens einen Schuh abzu-

schnallen, ist das Wiederaufstehen fast unmöglich. Aus dem Gesagten

lässt sich folgern, dass die Ski hauptsächlich für das Flachland geeignet

sind, dagegen selbst auf mittelmäßig steilen Bergen kaum zu verwen-

den sein werden. Es ist nicht anzunehmen, dass es selbst der gewand-

teste Skiläufer wagen würde, von einem unserer Berge, z. B. vom Ha-

felekar mittelst dieser Schneeschuhe herabzufahren.“

Nun, wie wir heute wissen: Julius Pock hat sich getäuscht. Aber wie

hätte er es auch wissen können. Es gab weder Anleitungen zum Ge-

brauch noch Vorbilder oder Lehrer. Und so ist es nur verständlich, dass

viele der ersten Mutigen ihre Skikolosse wieder an die Wand lehnten –

der angebliche Spaß war ausgeblieben. Doch manche ließen sich nicht

entmutigen. Einer von ihnen war Alfons Siber. Der Maler aus Hall in Tirol

war im Gegensatz zu den meisten seiner Zeitgenossen sehr wohl davon

überzeugt, dass das Skilaufen das damals überaus beliebte Rodeln ab-

lösen würde. Diese Annahme bescherte ihm Gelächter und Spott, glei-

chermaßen aber gab es auch genügend Interessierte und so kann Siber

wohl getrost als der erste Skilehrer Tirols bezeichnet werden. Auch Alice

Emilie Czelechowski, die schließlich eine bekannte Kinderbuchautorin

werden sollte, ließ sich von Siber in diesem Mysterium auf zwei Brettern

unterweisen und war damit 1896 die erste Ski fahrende Dame Tirols.

Das erste Opfer

Auch wenn es also viel Skepsis gab, waren es doch einige Begeisterte,

die dem neuen Sport, der damals noch mehr Ähnlichkeit mit Skiwan-

dern als dem heute rasanten Abfahren hatte, viel abgewinnen konnten.

1893, nur kurz nachdem es überhaupt Ski in Innsbruck gab, hatte der

Wiltener Wagnermeister Heinrich Engl den ersten in Tirol erzeugten Ski

präsentiert. Gebaut hatte er diesen auf Drängen des Medizinstudenten

Max Peer, seinerzeit einer der aktivsten Skiläufer Innsbrucks. Er war es

auch, der diese Ski auf den Bergen in und um Innsbruck testete – da-

durch erlangte er schlussendlich traurige Berühmtheit: Um die Gefahr

von Lawinen wussten damals zwar jene, die mit der Natur lebten – Bau-

ern, Jäger, Förster –, nicht aber die ersten Skiläufer. Da es keine Pisten

gab, wie wir sie heute kennen, suchten sie sich ihre eigenen Wege. So

auch Max Peer. Am 18. Februar 1897 machte er gemeinsam mit einem

Bekannten eine Tour auf die Saile in der Axamer Lizum. Als er dabei eine

Lawine lostrat, war ihm die Gefahr nicht bewusst. Sein Begleiter berich-

tete davon, dass Peer sich auf den ersten Schneewellen noch eupho-

risch dahintreiben ließ. Doch am Ende forderte die Lawine sein Leben.

Max Peer gilt heute als weltweit erstes Opfer des sportlichen Skilaufs.

Dieser Unglücksfall hatte schließlich auch die Gründung der „Freiwilligen

Alpinen Rettungsgesellschaft“ in Innsbruck zur Folge.

Pionierleistung 1927/28: Die Träger bewältigten die Strecke

Hungerburg/Seegrube zwei Mal täglich mit Lasten von bis zu 70 kg. //

Pioneering achievement 1927/28: Carriers coped with the Seegrube

route twice a day with loads of approx. 70 kg.

Bereits im ersten Winter, 1928, wurden die

neuen Bahnen auf die Seegrube rege genutzt. Zahlreiche

Rennskifahrer absolvierten dort ihr Training. //

Already in the first winter, in 1928, the

new cableways enjoyed great popularity.

Numerous ski athletes trained here.

©STADTARCHIV /STADTMUSEUM INNSBRUCK