Previous Page  22 / 124 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 22 / 124 Next Page
Page Background

WELCOME

||

22

damals acht Jahre alt. 1922

in Innsbruck als Tochter eines

wohlhabenden und sportlichen

Hauses geboren – die Mutter

wollte den Ärmelkanal durch-

schwimmen und musste nach

acht Stunden aufgeben, der Va-

ter einer der ersten Bobfahrer in

Tirol – kam Anneliese Proxauf,

wie sie unverheiratet hieß, recht

willkürlich zum Wintersport. Als

Seelos den Slalom auf der See-

grube gewinnt, diagnostiziert der

Arzt bei ihr und der zwei Jahre äl-

teren Schwester Keuchhusten.

Höhe würde gut tun, so die Empfehlung. Die Mutter bringt beide hin-

auf auf die Seegrube. Während die Kinder Schneemann bauen, nähert

sich Ossi Schmidhuber, der erste Skilehrer dort oben auf der Nordkette.

Ob denn die Mädels nicht etwas Sinnvolleres tun möchten als Schnee-

männer zu bauen, fragt er die Mutter. „Was soll das sein?“, erwidert die-

se. „Skifahren“, ist die Antwort. So simpel können Karrieren beginnen.

„Beim ersten Versuch auf Skiern bin ich einfach umgefallen“, erin-

nert sich Anneliese Schuh-Proxauf. „Bergab im tiefen Schnee bin ich

gelegen. ,Steh auf, Mädl’, hat Ossi gesagt. Aber ich hatte ja keine Ah-

nung.“ Schmidhuber, den man auch den „König der Nordkette“ nannte,

packt seine zwei Schutzbefohlenen nicht gerade mit Samthandschu-

hen an. Aber die Mutter erkennt, dass es den beiden gut tun würde,

und so ist es abgemacht. Fortan bekommen die Schwestern Unter-

richt im Skifahren, nach der Schule machen sie sich auf den Weg zur

Nordkettenbahn. Es ist eine harte, aber lehrreiche Zeit.

Harte Kämpfe

Nur drei Jahre später absolviert die Elfjährige ihr erstes Rennen beim Ju-

gendskitag des Alpenvereins, 1937 nimmt sie das erste Mal bei den ös-

terreichischen Skimeisterschaften teil. Drei Jahre später maturiert sie

und beginnt, als eine von wenigen Frauen, die einzige, die schließlich

auch zur Dissertation antreten sollte, ihr Wirtschaftsstudium an der Uni-

versität Innsbruck. 1941 beginnen ihre Siegesjahre: Bei den Weltmeis-

terschaften in Cortina d’Ampezzo gewinnt Anneliese Schuh-Proxauf drei

BronzemedailleninderAbfahrt,imSlalomundinderKombination.(Nach

Ende des Krieges wurden diese Medaillen jedoch vom Internationalen

Skiverband für ungültig erklärt, da einige Nationen nicht teilnehmen

durften). In den folgenden Jahren gewinnt sie mehrere große Bewerbe,

1946 alle großen Rennen, unter anderem das Hahnenkammrennen –

16 Mal besiegt sie ihre damals größte Konkurrentin Erika Mahringer.

1948 liegt sie beim Ausscheidungsren-

nen in Sölden für die Olympischen Spie-

le acht Sekunden vor der Zweitplatzier-

ten Trude Beiser. Doch Olympiasiegerin

in St. Moritz wurde sie schließlich nicht:

„Knapp vor dem Ziel gab es eine Schlüs-

selstelle, einen Sprung in der Abfahrt, das blanke Eis. Ich habe die Läufe-

rinnen vor mir beobachtet, alle hat es nach hinten gedrückt: Mir passiert

das nicht, dachte ich mir. Mit Stemmen – heute macht man das ja nicht

mehr – wollte ich Geschwindigkeit rausnehmen. An der Stelle schreit

mein Trainer mir zu: Langsam! Ich jedoch habe ihn falsch verstanden,

ich hörte: Füß’ z’amm!“ Und da passierte es eben doch. Schuh-Proxauf

überschlägt sich, prallt mit dem Hinterkopf auf das Bodeneis: Schä-

delbasiseinriss – einen Tag lang ist sie bewusstlos. Der Teamarzt sperrt

sie in ihrem Pensionszimmer ein, doch sie türmt. Sie springt aus dem

Fenster im Hochparterre und startet im Abfahrtslauf. Gewonnen hat sie

nicht, doch zeigt diese Episode, wie hartnäckig und zielstrebig sie zeit

ihres Lebens war und ist. Zahlreiche Verletzungen während ihrer Karri-

ere konnten sie nicht davon abhalten, sich immer wieder hochzuarbei-

ten. Ihren größten Erfolg erzielte sie mit dem Abfahrtssieg beim legen-

dären Kandahar-Rennen in Chamonix, mit sieben Sekunden Vorsprung

zur Olympiasiegerin Trude Beiser.

Anneliese Schuh-Proxaufs Geschichte ist eine von vielen Siegen,

aber auch eine von Niederlagen, Ungerechtigkeiten und Widerständen.

„Ich hatte kein gutes Verhältnis mit vielen Funktionären, ich war eben

immer ein grader Michl“, sagt sie. Bei den Weltmeisterschaften in Aspen

holt sie, beeinträchtigt durch eine Stirnhöhleneiterung, zwei 4. Plätze

in der Abfahrt und im Slalom, im Riesenslalom wird sie Fünfte. Als sie

ihre aktive Karriere 1956 beendet, hat sie unglaublich vieles erreicht –

aber es hätte eben noch mehr sein können, ist sie überzeugt. Doch es

wollte nicht sein.

||

A

nneliese Schuh-Proxauf was up there with the best. The today

94-year-old has shared some interesting stories with us about

famous people and events such as her victory at the Hahnen-

Wettkampf anno dazumal: Die FIS-Spiele 1933 mustsen wegen Schneemangels

vom Glungezers auf die Seegrube verlegt werden. Die Ergebnisse wurden auf einer

Schiefertafel bekannt gegeben (re.). Der olympische Herrenslalom am

Birgitzköpfl (Axamer Lizum) 1964 (u.). //

Competitions in previous times: Because of a lack of snow, the FIS Games

had to be relocated from the Glungezer to the Seegrube.

The results were announced on a blackboard. (right) The Olympic Men’s

Slalom at the Birgitzköpfl (Axamer Lizum) 1964 (below).

©TIROLERSKIVERBAND

©RICHARDFRISCHAUF