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I

ch habe nicht das Gefühl, dass ermitmir redenwill. Skeptisch blickt

er mich an, er holt sich einen Kaffee, ich mir einen sauren Radler.

„08/15-Interviews mache ich sowieso nicht, aber das ist ja kein

08/15“, knurrt er. Eigentlich wolle er lieber Blaumachen, aber er habe

sich aufgerafft. Norbert Pleifer, Stadtgrantler und Obmann des Ver-

eins Treibhaus in Innsbruck – Kulturzentrum und Oase. Wir sitzen auf

einer roten ausrangierten Parkbank an einem Tisch neben der Stiege,

über die Besucher in den Turm auf und ab gehen. Im Turm finden die

Konzerte statt.

Bei der ersten Frage ist er ein wenig aufgetaut. Gott sei’s gepriesen!

Ob er der Gegenpol von zu viel Tradition sei, wollte ich wissen, und das

Treibhaus eine Oase? „Eine Oase möchte ich gerne sein. Oase würde

aber heißen, dass es rundherum nichts gibt außer Wüste. Was Kul-

tur betrifft, ist das in Innsbruck nicht mehr so. Eine Oase waren wir

mal, als der Verein Treibhaus 1981 gegründet wurde.“ Das war vor 33

Jahren, als ich noch zwei Jahre alt. „Beim ersten Konzert mit Werner

Pirchner und dem Vienna Art Orchestra haben wir als Eintritt einen

Blumenstock verlangt. Nachher sah es aus wie in einem Treibhaus.

Deswegen heißen wir heute noch so.“

Norbert fühlt sich ein wenig trotzig an, wie ein Rebell, der prinzi-

piell alles anders macht und nur das tut, wozu er wirklich Lust hat. Ir-

gendwie schön, wenn das jemand in Zeiten von Wirtschaftszwängen

noch schafft. Aber Rebell sei er keiner: „Ich habe nämlich kein klares

Feindbild. Mein Feindbild sind zu viel Strukturen, zu viel Tradition, et-

was Verknöchertes. Tradition, die sich wie eine Qualle, wie Gallert über

etwas drüberstülpt und erstickt. Tradition, die mieft, schimmelt und

sogar sich selbst erstickt.“ Die Treibhaus-Idee ist demnach eine friedli-

che Kampfansage, welche der Pseudo-Jodeltradition ein wenig alter-

native Kultur entgegensetzt.

Ich liebe Tradition! Allerdings eine, die lebt, die sich entwickelt so-

wie neue Inhalte aufgreift und in Bestehendes integriert. Das ist Leben

und Leben heißt Veränderung, das ist das Treibhaus. In Norberts Wor-

ten: „Mit dem Treibhaus wollte ich ein Fenster IN der Nordkette sein,

mit dem man durch das Massiv durchblicken kann. Die Berge dort ste-

hen zwar im Weg, aber sie machen auch neugierig auf das Dahinter.

In Innsbruck haust du dir sprichwörtlich ständig den Schädel an den

Bergen an. Deswegen wollte ich ein Fenster öffnen für die vielen Neu-

gierigen in der Stadt, denen ich im Treibhaus eine Heimat geben will.“

Berge bieten Widerstand. Manchmal muss man ihnen etwas entge-

gensetzen; entweder einen Jodelschrei, eine Rebellion oder gutes Al-

ternativprogramm. Wahrscheinlich haben wir deswegen auch so viele

bunte, aber auch skurrile Leute hier: vom Kellertheater bis zur Kultur-

backstube. Dem Berg und der Tradition etwas entgegensetzen! Sonst

wär’s im Gebirge nicht zum Aushalten.

Kabarettist Alfred Dorfer ist laut Norbert bekennender Inns-

bruck-Fan und jedes Mal fasziniert, dass es kein spezifisches Treib-

haus-Publikum gibt. „Der Mix ist einmalig“, meint Norbert. In Alter-

nativlokalen – ich verwende das Wort sehr ungern, weil es nicht ganz

zutrifft – erwartet man Rastas, Leute in bunten Hosen, Schüler oder

Studenten in Strickjacken. Das gibt’s hier auch. Vornehme Unterneh-

mer, Politiker oder noble Damen und Herren sind aber jeden Tag hier.

Konflikt zwischen Alt und Jung, Akademikern und Arbeitern, Menschen

in T-Shirt und Menschen in Anzug gibt’s hier keinen. Wobei jene, die

sonst einen Anzug tragen, auch lieber im T-Shirt kommen. „Manchmal

haben wir drei Generationen im Haus: Kind, Vater und Opa,“ ist Norbert

stolz und meint weiter: „Zu uns kann jeder kommen, solange er fried-

lich ist. Bei uns ist auch jeder friedlich, denn wir hatten noch nie ei-

ne Schlägerei.“ Die Damen der Weiberwirtschaft wissen eben, wie man

Unruhestifter ruhigstellt: Das Lokal im Treibhaus heißt nämlich Wei-

berwirtschaft, weil darin nur Frauen arbeiten. „Wenn ein Frauenzim-

mer jemanden um Disziplin bittet, weil er besoffen ist und sich nicht

benehmen kann, dann geschieht das auch.“ Offenbar machen Ladys

aus Männern manchmal Gentlemen.

Vorschau auf das Sommerprogramm kann mir Norbert noch kei-

ne geben. „Das ist gerade erst am Entstehen.“ Wer jedoch weiß, welche

Größen hier gespielt haben, weiß auch, welch großartige Kultur hier

serviert wird: Herbert Grönemeyer, Gianna Nannini, Fink, Joe Zawinul,

Kris Kristofferson, Eric Burdon, Stimmhorn, Erika Stucky, Alfred Dorfer,

Josef Hader, Grissemann und Stermann, Zaz, Sophie Hunger, Shantel &

Bucovina Club Orkestar und noch viele mehr – vielleicht auch wieder

im Sommer.

Wer bis hierher gelesen hat, soll belohnt werden und erhält die

Auflösung zum Titel: Sapperlot sagt man in Österreich statt Donner-

wetter. Dazu der Duden: „Ausruf der Verwunderung, des Unwillens, des

Zorns.“ Und Sapperlot ist auch der Name jenes Hundes, der Norbert

nie von der Seite weicht. In Italien hätte der Treibhauschef einen Hund

für seine Kinder kaufen sollen. „Sapperlot!“ hat er geschrien, trotzdem

ist ein Hund gekommen, der seither so heißt. „Ein reinrassiger Moz-

SAPPERLOT IM TREIBHAUS

Zwei Herren ohne kalte Schnauze

rebellieren gegen zu viel Tradition. //

VIL JODA

Über die Treibhauskünstler steht

in den Statuten des Kulturcafés:

Sie singen die Geschichte der Liebe

das Drama der Dummheit

die Hoffnungslosigkeit des Geizes

die Zärtlichkeit der Gefühle

die Grausamkeit des Hungers

die Heiterkeit des Lachens

die Schönheit der Freundschaft

den Zorn der Gerechten.

LASSET UNS MIT IHNEN

SINGEN, TANZEN UND SPRINGEN