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P

hilippine, Tochter des Augsburger Patriziers und reichen Kauf-

manns Franz Welser, verbrachte ihre sorgenfreie Jugend in

Wohlstand und Geborgenheit. Beim Reichstag von Augsburg

1551 verliebte sie sich in den jungen Erzherzog Ferdinand (II.). Sie traf

ihn wieder in Böhmen, wo sie auf Besuch bei ihrer Tante Katharina

v. Loxan auf Schloss Bresnitz weilte. Die Liebesgeschichte zwischen

den beiden wurde in der Romantik ausgeschmückt und verbrämt.

Tatsache ist, dass sie heimlich geheiratet haben, der Erzherzog und

Kaisersohn Ferdinand und die Bürgerliche Philippine! Nachdem sie

einige Zeit in Böhmen gelebt hatten, wo Ferdinand als Statthalter tä-

tig war und wo auch ihre Kinder zur Welt kamen, erbte der Erzherzog

1565 Tirol und die Vorlande und kam 1567 nach Innsbruck. Schon

von Prag aus ließ er die mittelalterliche Burg Ambras in ein wohnli-

ches Renaissanceschloss für seine Familie umbauen. Der Aufenthalt

in der Hofburg, dem Regierungssitz der Tiroler Landesfürsten, war

Philippine indes verwehrt, da sie als Bürgerliche dort nicht standes-

gemäß war. So wurde sie in Ambras eine beliebte Gastgeberin.

Kochen wie damals

Von Philippine ist auch ein Kochbuch erhalten, das als ersten Eintrag

„ich hoff zu Gott. p w 1567“ zeigt. Dabei fällt auf, dass die folgenden

Seiten in anderer Handschrift verfasst wurden. Erst ein paar lose Ein-

tragungen zum Schluss des Buches können mit der ersten Eintragung

identifiziert werden und dürften von Philippine selbst stammen. Ver-

mutlich hat ihre Mutter, Anna Welser, das Kochbuch für ihre heiratsfä-

hige Tochter schreiben lassen. Es beinhaltet 245 Rezepte, die als eine

Art Mitgift für das damals 18-jährige Mädchen erstellt worden sind.

Die rückwärtigen Eintragungen beweisen, dass ihre Besitzerin es tat-

sächlich benützt hat. Die Rezepte geben die Essgewohnheiten des ge-

hobenen Augsburger Bürgerstandes wieder. Man findet Gesottenes,

Eingemachtes und viele Süßspeisen, Torten und Pasteten, triefend vor

Fett, denn Schmalz war ein Hauptbestandteil der damaligen Küche.

Die Anfänge der Rezepte lauteten damals nicht „man nehme ...“, son-

dern „wilt du machen/bachen/syeden ...“.

Es ist auch überliefert, dass man für eine besondere Torte mit gewal-

tigen Ausmaßen 40 Eier verwendet hat. Diese wurde zu einer Fest-

lichkeit in Ambras hergestellt und hatte einen Hohlraum, in dem sich

der Hofzwerg Thomele verbarg. Unter Trommelschlag und zur Überra-

schung aller sprang der Zwerg aus der Torte hervor!

Für den täglichen Gebrauch („tägliche Hofkuchel-Notdurfft“) fand man

in den Gärten von Ambras eine große Auswahl: Es gab Wild, Geflügel, Fa-

sane, Fische, Singvögel, Obst wie Birnen, Äpfel und Marillen, aber auch

Südfrüchte wie Zitronen, Orangen und Feigen ... Zudem kamen Liefe-

rungen vom Gardasee und von den Gerichten Tirols, um den Speiseplan

aufzubessern. Murmeltiere galten als besondere Delikatesse. Philippine,

die auch eine hervorragende Kennerin von Heilkräutern war, dürfte auf

die Auswahl der Speisen großen Einfluss genommen haben.

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„GEWIRTZ WOHL NACH DEIM GEFALLEN ...“

COOK AS YOU PLEASE – LIKE THEY USED TO IN THE OLDEN DAYS

Ein Kochbuch der Philippine Welser

gibt Einblicke in die Essgewohnheiten damaliger Zeiten. Angaben zu Mengen

gab es derweil ebenso wenig wie zu Gewürzen. Gewürzt wurde nach Gefallen ... so sagt es auch die Überschrift. //

Philippine Welser’s cookbook

provides insights into eating habits of the olden days. Cooking was more like a

freestyle process. Salts and spices where used according to the chef’s mood; indications of quantity didn’t exist…

//

MONIKA FRENZEL

Bildnis einer jungen Frau, vermutl.

Philippine Welser, anonymer Maler,

Mi.

16.Jh

., KHM/Schloss Ambras //

Portrait of a young woman,

probably Philippine Welser,

anonymous painter,

Mid-16th century, museum/

Ambras Castle

©KMH (2)