

WELCOME
||
103
Kind oder einer Puppe von Haus zu Haus, auch eine Wiege war oft mit
dabei. Diese wurde auf den Tisch gestellt und während man zusam-
men betete, wiegte die Frau das Kind. Sie erhielt dafür Lebensmittel
und manchmal auch etwas Geld. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein
wurde dieser Brauch in Tirol gelebt, in den 1960er-Jahren gab es Ver-
suche, ihn wieder zu beleben. Leider ohne Erfolg. Heute gibt es da und
dort Initiativen, die das Kindlwiegen zu neuem Leben erwecken wol-
len. Der zweite Brauch, der schließlich die Entstehung der Krippenkul-
tur beeinflusste, waren die Weihnachtsspiele. In sehr frühen Zeiten
wurden diese Spiele in Kirchen aufgeführt, um den Menschen, die zu-
meist nicht lesen konnten, die Geburt des Jesukindes anschaulich zu
erklären. So entstanden schließlich die Krippen.
Im Tiroler Volkskunstmuseum ist von Dezember bis Ende Januar
eine umfangreiche Sammlung an Krippen aus ganz Tirol ausgestellt.
Mit dabei auch sogenannte Hauskrippen mit einem Mindestmaß von
einem Meter Länge. Daraus entwickelte sich der Brauch des Krippen-
schauens: Nach dem 25. Dezember besuchte man die Nachbarn und
bestaunte deren Krippen. Dabei gab es auch ein Schnapserl, doch man
sagte nicht Prost, sondern Gloria beim Anstoßen. Bis heute
ist das „Gloria-Trinken“ Bestandteil des Krippenschauens,
das nach wie vor Tradition hat.
Ein grausliges Weib
Zwischen 21. Dezember und 6. Januar liegen die zwölf
Raunächte (21./22. Dezember – Thomasnacht, die Winter-
sonnenwende, längste Nacht des Jahres; 24./25. Dezem-
ber; 31. Dezember/1. Januar, 5./6. Januar). In dieser Zeit fin-
det die Wilde Jagd statt: Übernatürliche Jäger geistern durch
Land und Lüfte, begleitet von fürchterlichem Schreien, Heulen und
Stöhnen. Strenge Regeln gab es für diese Nächte: Im Haus durfte et-
wa keine Unordnung herrschen und unter keinen Umständen durfte
man weiße Wäsche auf die Leine hängen, denn diese würden die Rei-
ter stehlen, um sie im Laufe des Jahres als Leichentuch für den Besit-
zer zu benützen. Auch Karten spielen durfte man nicht. Im Allgemei-
nen kann man sagen: Es war besser, sich in dieser Zeit sehr unauffällig,
besinnlich und ruhig zu verhalten. In manchen Gegenden wurden die-
se Vorschriften von den Perchten überwacht. Angeblich stehen diese
die als gute Schönperchten, die „Schianen“, und böse Schiechperch-
ten (schiech bedeutet hässlich, schlimm) mit einer Glocke Radau ma-
chen, in Zusammenhang mit der Frau Percht. Die alte Frau ist ein ge-
spenstisches Wesen, ein grausliges, altes Weib mit zotteligem Haar und
lumpigen Kleidern, mit langen Zähnen und einer eisernen Nase. „Man
sieht, die Person ist nicht gerade Vertrauen erweckend, und ich näh-
me es keinem übel, wenn er, sobald er ihrer ansichtig wird, sich ‚hinter
geheiligte Türen‘ flüchtet. In den Zwölften, vorzüglich aber in der Nacht
vor dem Perchtentag, dem sie den Namen gab, fährt sie sausend durch
die Lüfte, und wehe dem arglosen Wanderer, der ihr begegnet, oder der
Spinnstube, der sie ihren nächtlichen Musterungsbesuch abstattet.“
(Tiroler Volksleben. Ein Beitrag zur deutschen Volks- und Sittenkunde.
von Ludwig Hörmann, Stuttgart 1909).
Um Frau Percht zu besänftigen, stellte man Speisen und oft auch
ein Glas Milch vor die Tür oder aufs Hausdach. Da Frau Percht gern
kleine Kinder stiehlt, legte man diese am Dreikönigstag nicht in die
Wiege, sondern darunter. Im Übrigen hieß der Dreikönigstag im Volks-
mund Perchttag, mancherorts ist das noch heute so. Ein Mittel gegen
dieses fürchterliche Weib war das Räuchern des Hauses. Nach dem
Räuchern mussten alle Fenster, Haus- und Stalltüren fest verschlos-
sen werden und niemand durfte das Haus an diesem Abend noch ver-
lassen.
||
KULTURTIPP
Volkskunstmuseum, Universitätsstraße 2, 6020 Innsbruck
Ausstellung: Stuben, Handwerk, Tracht, Feste, Bräuche,
Krippen, Glaube und Magie
, Mo.–So. 9–17 Uhr
BUCHTIPP
Weihnachtskrippen bauen
Susanne Gurschler / Hans Knapp / Hansjörg Penz
Schritt für Schritt zur orientalischen und
heimatlichen Krippe.
Mit ausführlicher Anleitung zum Hintergrundmalen.
184 Seiten, ca. 400 farb. Abb., ca. 50 SW-Zeichnungen
Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2016, € 27,95
CULTURAL TIP
Museum of Tyrolean Regional Heritage, Universitätsstrasse 2, 6020
Innsbruck;
Exhibition: Panelled Rooms, Traditional Dress and
Cribs, Festivals, Dangers and Fears
, Mon-Sun from 9 am – 7 pm
BOOK TIP
Weihnachtskrippen bauen (how to build a nativity scene)
Susanne Gurschler / Hans Knapp / Hansjörg Penz
Step by step to the local and oriental nativity scene.
With detailed instructions.
184 pages, 400 coloured images, 50 drawings
Publisher: Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2016, € 27,95
Die heutige Krippenkultur geht unter anderem auf den Brauch des
Kindlwiegens zurück, um dessen Wiederbelebung man sich heute bemüht. //
Today’s art of crib-making leads back to the custom of cradling,
which some still try to revive.
innsbruck.info/8a